Ausbildung zur DGNB Consultant: Zwei Kolleginnen im Interview!

04.04.2024

Im vergangenen Jahr haben wir uns der „Phase Nachhaltigkeit“, der gemeinsamen Initiative der DGNB Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und der Bundesarchitektenkammer, aus voller Überzeugung angeschlossen. Der Weg hin zu einer umfassend nachhaltigen Lebens- und Arbeitsweise ist das Fundament unserer Arbeit und spiegelt unsere Sichtweise auf Architektur und Gesellschaft wider, denn Architektur bedeutet für uns die räumliche Interpretation gesellschaftlicher Bedürfnisse. Unser aller Hauptaufgabe ist es, heutige Ressourcen so zu verwenden, dass zukünftige Generationen dieselben oder sogar bessere Chancen haben, sich zu entwickeln.

Um diese Ziele noch tiefer in unserer Arbeit zu verankern, haben sich zwei unserer Kolleginnen zur DGNB Consultant ausbilden lassen. Wir haben nachgefragt, was es damit auf sich hat.

 

INTERVIEW

Julia und Lisa, ihr habt gerade die Ausbildung zur DGNB Consultant erfolgreich abgeschlossen, herzlichen Glückwunsch! Was macht eine DGNB Consultant genau?

Julia: Eine DGNB Consultant ist eine Expertin für nachhaltiges Bauen speziell im System der DGNB. Die DGNB erstellt offizielle Zertifikate für Nachhaltigkeitsstandards von Bau- und Quartiersprojekten. Dem geht ein umfangreicher Zertifizierungsprozess voraus. Wir als Consultants sind Ansprechpersonen für Bauherrschaften zu diesem Zertifizierungsprozess. Welche Möglichkeiten für Nachhaltigkeit im eigenen Projekt gibt es? Welche Stellschrauben können gedreht werden, um ein Vorhaben noch nachhaltiger zu machen?

Lisa: Wir als Architekturbüro können nun mit der Expertise von DGNB Consultants gezielt beraten und in einem Projekt von Anfang an auf wichtige Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der Nachhaltigkeit hinweisen. Wir haben in der Ausbildung Wissen erworben und Werkzeuge an die Hand bekommen, mit denen man die Nachhaltigkeit von Gebäuden optimieren kann.

Gerade in den frühen Leistungsphasen ist der Einfluss groß, über das Aufzeigen von unterschiedlichen Entwurfsvarianten und deren unterschiedlichen Wirkungsweisen, die Weichen in eine nachhaltige Richtung zu stellen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass Nachhaltigkeit im Sinne des DGNB-Systems nicht nur auf Kriterien der Ökologie fußt. Ökonomische und soziokulturelle Aspekte werden mit gleicher Wichtigkeit bewertet. Dafür zu sensibilisieren ist Kernaufgabe einer DGNB Consultant.

Ökobilanzierung und Lebenszykluskosten sind Stichwörter, die in diesem Kontext immer wieder auftauchen. Was hat es damit auf sich?

Lisa: Eine Ökobilanz zeigt die Gesamtperformance eines Gebäudes oder Quartiers hinsichtlich seiner Umweltwirksamkeit, etwa CO2-Emissionen, auf. Die Ökobilanz berücksichtigt den ganzen Lebenszyklus eines Produktes/Gebäudes von der Wiege bis zur Bahre (Cradle to Grave). In einer Ökobilanzierungen können also Bauweise, Konstruktionsart und Bauteil-Auswahl miteinander verglichen werden, um dann die optimale Lösung in die Umsetzung zu bringen.

Julia: Eine Lebenszykluskostenberechnung zeigt ebenfalls die Gesamtperformance eines Gebäudes oder Quartiers auf, allerdings hinsichtlich seiner ökonomischen Wirksamkeit. Eine Betrachtung von Lebenszykluskosten gibt Aufschluss über sämtliche Kosten eines Gebäudelebenszyklus. So werden nicht mehr nur die Herstellungskosten betrachtet, sondern der Fokus verlagert sich automatisch auf die Unterhaltungskosten (Betriebskosten, Instandsetzungen, Pflege, Sanierung bis hin zu Abbruch und Wiederverwertbarkeit von Bauteilen). Auch hier liefert der Vergleich von unterschiedlichen Bauweisen und Produkt-Auswahl wertvolle Entscheidungshilfen, um auch ökonomisch die bestmögliche Entwurfsvariante zur Ausführung zu bringen.

Ökobilanzierung und Lebenszykluskostenberechnung hängen also stark zusammen, sind ähnlich aufgebaut, betrachten allerdings unterschiedliche Aspekte. Beide Instrumente sind wichtige Bestandteile im Zertifizierungsprozess über die DGNB.

Wie lief eure Ausbildung ab?

Lisa: In der DGNB-Ausbildung gibt es drei Stufen, die aufeinander aufbauen: Stufe 1 ist die Ausbildung „Registered Professional“ für das Basiswissen zum nachhaltigen Bauen, Stufe 2 der „Consultant“ mit fundiertem Wissen zum DGNB-System und der Zertifizierung nach den Kriterienkatalogen der DGNB.

Stufe 3 wäre der DGNB Auditor: Dieser begleitet nicht nur den gesamten Zertifizierungsprozess, sondern ist berechtigt, ein Projekt bei der DGNB zur Konformitätsprüfung einzureichen und somit auch verantwortlich für die Vollständigkeit der geforderten Dokumentation eines Projektes.

Julia: Wir haben nun Stufe 2 abgeschlossen. Dafür haben wir an vier ganztägigen digitalen Schulungsterminen und einem Praxismodul teilgenommen. Anschließend haben wir nach intensivem Selbststudium eine Prüfung abgelegt – 55 Fragen in 75 Minuten. Es war eine sehr zeitintensive und anspruchsvolle Ausbildung, die aber auch viel Lust gemacht hat, das Thema Nachhaltigkeit noch intensiver in den Arbeitsablauf bei GJL+ zu integrieren. Mit dieser Expertise können wir nun in Abstimmung eines Auditoren oder einer Auditorin Zertifizierungsprozesse begleiten.

Übrigens ist die Qualifizierung aktiv, das heißt, wir müssen den Titel „Consultant“ jedes Jahr über Fortbildungspunkte weiter bestätigen und Schulungen besuchen, um unser Wissen immer auf aktuellem Stand zu halten.

Warum habt ihr euch dafür entschieden, DGNB Consultants zu werden?

Lisa: Wir sehen das Nachhaltigkeitswissen als eine Kernkompetenz der Architektenschaft, denn der Bausektor ist maßgeblich für CO2-Emissionen verantwortlich (fast 40%!). Als Architektenschaft tragen wir daher Verantwortung für zukünftige Generationen – wir gestalten ihren Lebensraum. Unsere Gebäude sollten langfristig nutzbar und zukunftsfähig sein, sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer und soziokultureller Sicht.

Julia: Wir wollen für GJL+ unsere fachlichen Kompetenzen ausbauen. Künftig werden wir unsere Bauherrschaft noch besser beraten können. Wir können aktiv mitgestalten und forcieren, dass Nachhaltigkeit einen Stellenwert im Projekt bekommt und somit zum „neuen Normal“ wird. Wir haben nun noch mehr Hintergrundwissen, mit entsprechenden Datenbanken und verschiedenen Tools, die wir einsetzen können.

Was war für euch besonders interessant in der Ausbildung?

Julia: Es war besonders inspirierend zu sehen, wie sehr Nachhaltigkeit die Summe vieler kleiner Ansätze ist, die man in seinem Projektverlauf analysiert und forciert, und wie viel da zusammenspielt.

Lisa: Ich fand es sehr motivierend zu sehen, dass es nicht nur den „einen“ richtigen Weg gibt, ein Gebäude oder ein Quartier nachhaltiger zu machen. Es stehen nicht nur Einzelmaßnahmen im Vordergrund, sondern die Gesamtperformance eines Gebäudes oder Quartiers. Das bedeutet, wir haben viel Raum für Kreativität auch in diesem Themenfeld. Neben ökonomischen und ästhetisch-funktionalen Entwurfsaspekten kommen für uns nun weitere wichtige Bausteine dazu. Das wird die Zukunft sein.

Lisa und Julia, vielen Dank für euren Input!